Warum Freiraum- Yoga?

 

In der heutigen Zeit spielt die generelle RAUM-Frage sicherlich eine bedeutende Rolle.

Ein Raum kann sich im Außen befinden, beispielsweise als ein tatsächlicher Raum in einem Gebäude, es kann sich dabei jedoch auch um einen inneren, seelischen Raum oder um einen Lebensraum handeln.

Gleichermaßen können diese Räume eigenaktiv gestaltet werden.

Durch diese Gestaltung können Räume unterschiedliche Qualitäten und Merkmale erhalten. So kann ein Raum beengt oder weit wirken, er kann das Gefühl von Geschütztsein oder Ausgeliefertsein vermitteln – sowohl im Innen als auch im Außen. (s.u.)

Einen Raum oder Räume zu gestalten birgt eine eigene Aktivität – ein Heraustreten aus dem Passivsein oder der Gewohnheit.

Es ist mir ein großes Anliegen, mit Ihnen gemeinsam (neue) individuelle Räume zu schaffen und (auf ästhetische Weise) auszugestalten.

Wie dies im Yoga aussehen kann, zeigt hier einmal die beispielhafte Beschreibung einer āsana mit der ihr zugrunde liegenden Empfindung – in diesem Fall die Weite.

Die Übung kann entsprechend der Anleitung ausgeführt werden.

 

 

Das Dreieck – trikonāsana

Das Dreieck verkörpert in seiner Ausführung das Bild von Weite und Ausdehnung.

Der Raum wird durch das bewusste und weite Herausgleiten zu den Seiten hin erlebt.

 

Begeben Sie sich in einen weiten Stand, so dass der Abstand von Fuß zu Fuß etwa eine Beinlänge beträgt. Sie bilden auf diese Weise über Beine und Bodenfläche ein gleichseitiges Dreieck.

Ihr Stand sollte stabil und ruhig, Ihr aufgerichteter Oberkörper in der Schulterregion entspannt und gleichermaßen geformt sein.

 

Der stabile und ruhige Stand formt in der unteren Körperhälfte ein gleichseitiges Dreieck.

Die Dynamik wird in dieser Übung aus dem Bereich des Sonnengeflechtes, welches sich vorderseitig etwa auf Höhe der Magengrube, rückwärtig etwa in der Nierenregion befindet, ausgeführt.

Konzentrieren Sie sich zu Beginn der Übung auf eine freie Atmung mit ihrem Rhythmus und ihrer Tiefe. Greifen Sie hierzu unterstützend mit den Händen in die Taille und beobachten Sie die Atmung, wie sie in den Bereich des Sonnengeflechtes ein- und ausströmt und hierdurch die Flankenregion in einer ersten Form der Weite erlebt werden kann.

Nehmen Sie gleichzeitig den Raum um sich herum wahr, in den Sie sich im folgenden Verlauf spannkräftig über die Seite hinein dehnen.

Erleben Sie in freier Atmung eine erste Form der Weite in der Flankenregion – nehmen Sie den Raum um sich herum bewusst wahr

 

Lösen Sie nun die Hände und geben Sie die Arme in einer leichten Bewegung über a ußen nach oben über den Kopf. Entspannen Sie bewusst die Schulter- und Nackenregion.

 

               

Entspannte Schulter- und Nackenregion

 

Bringen Sie nun den rechten Arm waagerecht zur Seite, während der linke Arm nach oben geformt bleibt. Behalten Sie eine gelöste Schulterregion bei und konzentrieren Sie sich auf den Bereich des Sonnengeflechts.

Das Sonnengeflecht rückt in die Aufmerksamkeit

Nehmen Sie bewusst wahr, dass das Sonnengeflecht die Mitte zwischen dem gelösten Oberkörper und dem stabilen Stand bildet.

Diese Mitte gibt gleichzeitig den Halt und auch die weite und bewegende Dynamik für den folgenden Schritt.

Dehnen Sie sich nun exakt in einer Ebene zur rechten Seite. Achten Sie darauf, in der Bewegung nicht nach vorn oder hinten auszuweichen, sondern dehnen Sie weit in die seitliche Flankenregion und somit in die aufkommende Spannung hinein.

Stellen Sie sich vor, dass diese Bewegung auch aus der Weite des Raumes mit geformt wird.

Die Weite des Raumes überträgt sich und kann als Ausdehnung des Brustraumes empfunden werden. Aus dem Raum heraus zentriert sich auch immer mehr die haltgebende Mitte.

 

 

Beziehen Sie die Weite des äußeren Raumes in die Bewegung mit ein

 

Die Ausführung geschieht in zwei Bewegungsrichtungen:

Sie streben einerseits für eine weite Ausdehnung in der Flanke zunächst dem oberen linken Arm entsprechend nach oben und gestalten folgend mit dem unteren rechten Arm eine Art weites Hinausgreifen zur Seite.

 

Beide Arme sind an der Ausdehnung nach oben und zur Seite beteiligt

 

Nun gleitet der rechte Arm am rechten Bein  entlang nach unten, stützt sich jedoch zu keiner Zeit auf. Der Halt wird weiterhin aus der mittleren Sonnengeflechtsregion gewährleistet und aufrecht erhalten. Atmen Sie während der gesamten Ausführung im natürlichen freien Atemfluss weiter. 

 

 

 

Den Halt gibt der mittlere Bereich, der untere Arm stützt nicht ab

Halten Sie diese dynamische Position für einige Momente ohne auszuweichen und ohne sich abzustützen. Sie sollten hierbei die größtmögliche Spannung und Ausdehnung anstreben.

Kehren Sie dann in leichter Bewegung zurück. Führen Sie die Übung auch zur anderen Seite aus. Günstig ist, die Übung mindestens drei Mal zu jeder Seite auszuführen.

Am Anfang kann es sinnvoll sein, die Übungen nicht mit voller Spannkraft auszuführen. In einer leichteren Ausführung lassen sich zunächst die Empfindungen besser in eine Wahrnehmung führen.

Der Oberkörper bleibt entspannt, die dynamische Mitte zentriert sich zunehmend und bietet Halt, der Stand ist ruhend stabil

Der wesentlichste Aspekt bei trikonāsana ist die Gliederung, die zunächst anhand der  einzelnen Körperbereiche erlebt werden kann. Der Körper wird im unteren Bereich stabil, im oberen Bereich frei und aus der Mitte aktiv und dynamisch erlebt und steht auf diese Weise in direktem Kontakt zum äußeren Raum mit seinen Bedingungen. Diese Gliederung lässt sich auch auf den inneren Seelenraum mit den ihm innewohnenden Seelenkräften des Denkens, des Fühlens und des Willens übertragen, die mit den Empfindungen der Außenwelt in feinem Kontakt stehen.

Diese Gliederung und deren Bewusstwerdung ist eine wichtige Grundlage zur Gestaltung innerer Räume – beispielsweise auf der Beziehungsebene und im gesellschaftlichen Miteinander.

Ein Raum besteht einerseits aus den sichtbaren, materiellen Verhältnissen, gleichsam wird er durch die Seelenverhältnisse des Menschen gestaltet.

Die Seele beherbergt in ihren Kräften den steten Wunsch des Vorwärtskommens, des Lernens und des Wachsens. Weiterhin möchte sie sich auf natürliche Weise in Beziehung zu ihren Mitmenschen bringen. Wesentlich hierbei ist, dass dieses In-Beziehung-bringen ein aktiver Prozess ist und jeder Mensch maßgeblich an der Beziehungsgestaltung seines Umfeldes beteiligt ist. Man muss demnach die bestehenden Verhältnisse nicht hinnehmen wie sie sind, sondern kann sie vielmehr aktiv mitgestalten.

Bringt der Mensch sich diesbezüglich nun unter der Wahrung eines freien Raumes für seine Mitmenschen auf empfindsame und aktive Weise in eine Beziehung zu ihnen, so entwickelt er eine größere Leichtigkeit, Freiheit und Freude zum Leben. Der eigene innere Raum gewinnt an Weite, mögliche bestehende und einengende Bindungen können gelöst bzw. auf freiere Weise in eine neue Form gebracht werden. Diese Weite kann dann auch im Außen erfahrbar werden und überträgt sich auf das gesamte Umfeld.

 

Weitere Ausführungen zum Gedanken und der Empfindung von Weite finden Sie auch in der Übungsbeschreibung des Bogens.