Der ästhetische und kunstvolle Ausdruck in der Übung durch eine bewusst herbei geführte Ordnung und Gliederung
Ein Übungsbeispiel
Zu Beginn der Übung einer kunstvollen und ästhetischen Yogapraxis ist es sinnvoll, sich einmal die unterschiedlichen Bereiche und Gliederungsmöglichkeiten bewusst zu machen und diese in eine eigene Erfahrung zu führen. Hierzu geht man davon aus, dass durch diese Herangehensweise der Ausdruck in der Yoga- Übung verfeinert und differenziert werden kann. Die entstehende Übung wird auch nach außen hin sichtbar immer gegliederter und somit eleganter und ästhetischer.
Der grundlegende Gedanke ist hier zunächst einmal nur die Gliederungsfähigkeit.
Anhand einer einfachen Übung, dem stehenden Halbmond, die von den meisten Menschen gut ausgeführt werden kann, lässt sich ein erstes Empfinden zu einer Ordnung in der Ausführung gut in die Erfahrung bringen.
Zunächst ist es günstig, wenn Sie die Übung einmal eigenständig ausführen und einen Erfahrungswert für die Herangehensweise sammeln.
Stellen Sie sich hierzu aufrecht hin und nehmen Sie die Arme gestreckt über den Kopf nach oben. Bringen Sie nun ihren Oberkörper in eine Ihnen mögliche Halbmondform. Halten Sie die Stellung einen Moment und kommen Sie dann in die Ausgangsposition zurück.
Anhand dieser Ausführung haben Sie nun einen ersten eigenen Eindruck von der Übung erhalten. Vielleicht fiel es Ihnen nicht ganz leicht, die Arme lang gestreckt über den Kopf zu führen oder das Biegen nach hinten schmerzte Sie in einzelnen Partien des Rückens.
Würden wir nun keinen weiteren Aspekt mit in die Übung hinein nehmen, dann würden Sie die Übung für sich ausführen, wie Sie sie für richtig halten.
Es könnte sein, dass Sie denken, es gehe dabei darum, die Arme so weit wie es geht nach oben zu strecken- oder Sie denken vielleicht, es geht darum, sich so weit wie möglich nach hinten durchzubiegen.
Bringt man an dieser Stelle nun bewusst eine Gliederung in die Ausführung, so wird man sich beispielsweise in der gemeinsam ausgeführten Praxis in der Art der Ausführung annähern und auch ein gleiches Empfinden zu der Yogaübung entwickeln können. Die Übung wirkt geordneter.
Für die folgende Ausführung beachten Sie nun bitte einmal, dass Sie Ihren Körper für die Übungsausführung bewusst gliedern, das heißt, Sie spannen nicht in allen Bereichen gleich stark an, es gibt sogar Bereiche, die Sie bewusst loslassen.
Günstig ist es, die Übung in drei Schritten nacheinander aufzubauen und somit eine Dreigliederung zu vollziehen.
Nehmen Sie mit den Beinen einen stabilen Stand ein. Die Beine sind dabei geschlossen und der Oberkörper ist natürlich aufgerichtet. Geben Sie die Innenseiten der Beine mit einem sanften Druck an den Innenseiten zueinander, so dass sich eine größere Stabilität einstellt, die etwa im Bereich des Kreuzbeines, oberhalb des Gesäßes einmündet.
Im ersten Schritt der Gliederung wird ein stabiler, aufgerichteter Stand eingenommen
Nehmen Sie nun die Arme in einer natürlichen Streckung über den Kopf und bringen dabei die Handflächen mit den Innenseiten aneinander. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Schulter- und Nackenbereich und lösen diesen, sodass die Schultern und auch der Nacken leicht und frei sind. Meist werden die Schultern zu Beginn der Ausführung mit nach oben gezogen- bringen Sie diese nun ganz bewusst wieder entspannt nach unten. Die Arme bleiben sanft gestreckt.
Im zweiten Schritt der Gliederung wird der Schulter- und Nackenbereich bewusst entspannt
Jetzt widmen Sie sich dem Bereich der mittleren Wirbelsäule, dem sogenannten Sonnengeflecht, welches sich etwa auf Höhe der Magengrube befindet. Wachsen Sie gezielt aus diesem Bereich nach oben lang heraus, indem Sie diese Körperregion bewusst ergreifen und aktiv spannkräftig in die Weite führen.
Dieser Schritt kann zu Beginn recht schwierig sein und eine aktive Ausdehnung aus der Mitte heraus gelingt vielleicht zunächst nur im Ansatz. Wesentlich ist jedoch, dass Sie sich diesen Schritt vor der Ausführung gut vorstellen und dann in die Umsetzung kommen.
Im dritten Schritt der Gliederung wachsen Sie aus der Mitte des Brustkorbes aktiv und zielgerichtet lang nach oben heraus – eine erste Streckung des Körpers wird bereits sichtbar
Sie haben nun bereits in drei bewussten Schritten die Übung geordnet und dreigegliedert. Der Atem fließt zu jeder Zeit auf natürliche Weise weiter. Diese Übungsweise kann anfänglich mit diesen einzelnen Schritten wiederholt werden bis die spannkräftige Ausdehnung aus der Mitte bei gelösten Schultern und einem stabilen Stand gut gelingt.
Nach einiger Zeit der regelmäßigen Übungspraxis werden Sie vielleicht sogar bemerken können, wie Ihnen diese Gliederung nicht mehr schwer fällt sondern eher zu einem natürlichen Bedürfnis wird.
Sind Sie bereits etwas routinierter und mit der Übung gut vertraut kann es an die weitere Ausgestaltung gehen und die drei oben genannten Schritte können nun immer mehr in eine Leichtigkeit geführt werden.
Kommen Sie in die oben beschriebene Position. Werden Sie in der Position ruhig und
stellen Sie sich zunächst einmal nur vor, wie Sie die eben ausgeführten Schritte in der Folge noch ein weiteres Mal ausführen, um den Körper weiter in die Stellung zu führen. Gehen Sie hier gedanklich geordnet vor. Ihr Ziel sollte sein, aus der Mitte noch ein weiteres Stück heraus zu wachsen um in der Folge in eine elegante und grazile rückwärtsbeugende Halbmondformung zu gelangen. Dann setzen Sie Ihr Vorstellungsbild um und gestalten bewusst noch einmal am Körper:
Beine stabil, Schultern gelöst und dann geben Sie einen guten Impuls aus dem mittleren Rücken- dem Sonnengeflecht- und wachsen noch einmal dynamisch nach oben heraus. Ihr Atem fließt ruhig weiter.
Ruhig werden in der Position
Erneutes Herauswachsen aus der Mitte
Elegantes Rückbeugen in die Endstellung
Sie haben in dieser Übung nun eine bestimmte Gliederung und Ordnung eigenaktiv gestaltend umgesetzt. Hierdurch wurde dem Körper ein ästhetischer und gegliederter Ausdruck verliehen.
Mögliche erste oder ältere Vorstellungen von der Übungsausführung konnten zurück weichen und es entstand nach und nach ein klares Bild von der Übung. Dieses Bild konnte aufgebaut werden, da von einem Gedanken oder auch geistigen Inhalt zur Übung ausgegangen wurde.
Die Dreigliederung, die wir jetzt auf den Körper übertragen und umgesetzt haben, lässt sich auch auf der seelischen Ebene des Menschen wiederfinden. Der Mensch verfügt über drei Seelenkräfte: das Denken, das Fühlen und den Willen.
Ziel der ästhetischen und künstlerischen Yoga-Übungsweise ist es, diese drei seelischen Bereiche zu stärken und in eine Harmonie zu führen. Dieses Ausgleichen der einzelnen Kräfte führt den Menschen in eine größtmögliche Freiheit und er kann seine Ich-Kraft in eine weitere Entfaltung führen. Ein wachsendes eigenverantwortliches Handeln geprägt durch eine klare Gedankenwelt und ein natürliches und wahres Empfinden zu den Dingen kann entstehen und zu weiteren Entwicklungsschritten für sich und somit auch für das soziale Umfeld führen.